Annäherung an heiß gebogenes, geglühtes Glas
Datum: 26. Mai 2020
Erstmals vorgestellt auf der GPD 2017
Zeitgenössische architektonische Entwürfe transparenter Gebäudehüllen mit geschwungenen Geometrien stellen eine Herausforderung für die Branche dar. Ansätze zur Geometrierationalisierung in Kombination mit planarer Verglasung, kalt gebogener Verglasung oder gehärtetem, heiß gebogenem gebogenem Glas sind mit geometrischen Einschränkungen verbunden und architektonisch nicht immer erwünscht. Heiß gebogenes Temperglas eröffnet zusätzliche Gestaltungsfreiheit, insbesondere biaxiale und stärker gekrümmte Verglasungen der Gebäudehülle.
Das Papier bietet einen Überblick über den derzeit in der Branche angewandten technischen Ansatz für gebogenes, heiß gebogenes Glas in Ermangelung von Standards und Vorschriften. Designspezifika von heißgebogenen Temperglasanwendungen werden hervorgehoben und Testergebnisse gezeigt. Es handelt sich um einen Erfahrungsbericht darüber, wie mit dem aktuell verfügbaren Wissen aus Forschungsprojekten, Engineering-Tools und projektspezifischen Tests innovative Anwendungen für geglühtes gebogenes Glas realisiert werden können.
Die Fassadenbranche sieht sich in den letzten Jahren mit dem Trend zu geschwungenen Gebäudehüllen konfrontiert. Besonders geometrisch komplexe Strukturelemente von Gebäuden sind prädestinierte Anwendungen von gebogenem Glas mit der Absicht, einzigartige und transparente Gebäudehüllen zu schaffen (Abbildung 1 und 2).
Abbildung 2 (rechts) Freigeformtes, heiß gebogenes, getempertes Glas, Museé des Confluences, Lyon (Frankreich) ©Karin Jobst
Auch wenn neuere Technologien ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Auflösung gekrümmter Hüllen bieten, ist die Verwendung von heiß gebogenem, getempertem Glas unerlässlich, um extreme Krümmungen zu erzeugen, wie die folgenden Einschränkungen und Ansatzspezifika zeigen:
1) Gehärtetes gebogenes Glas: Die Gesamtglasgrößen und herstellbaren Radien sind im Allgemeinen durch den Produktionsprozess begrenzt. Zylindrisch gebogenes Glas ist als vorgespanntes Glas und vorgespanntes Glas herstellbar, wenn die Radien nicht zu klein sind (typischerweise R>1000 mm) und wenn der Biegewinkel bestimmte Grenzen nicht überschreitet [1].
Mittlerweile kann doppelt gebogenes Glas von wenigen Anbietern auch als thermisch vorgespanntes Glas für große Radien hergestellt werden. Der Temperprozess gebogener Glasprodukte kann durch verstellbare Rollen realisiert werden. Dennoch stellt das Abschrecken und die Temperaturkontrolle im Vergleich zu Flachglasprodukten eine erhöhte Schwierigkeit für den Produktionsprozess dar.
Daher sollten Geometrie- und Größenbeschränkungen immer in enger Zusammenarbeit mit dem Glaslieferanten überprüft werden. Lokale Verformungen durch die Bearbeitung mindern die optische Glasqualität, die im Vergleich zu geglühtem gebogenem Glas meist schlechter ausfällt. Weiche Beschichtungen und Fritten sind typischerweise nur auf der konkaven Oberfläche gebogener Hartglasprodukte möglich (harte Beschichtungen auch auf der konvexen Oberfläche).
2) Kaltbiegen (einschließlich Kaltverformen): Typischerweise werden planare Hartglasscheiben vor Ort in die erforderliche Form gebracht. Der Biegeprozess führt zu zusätzlichen Zwängen im Glasaufbau; Folglich können nur geringe Krümmungen erreicht werden (Abbildung 4).
Der Grad der Biegung wird entweder durch zusätzlich in das Glas eingebrachte Langzeitspannungen, bei Isolierglaseinheiten durch die mechanischen und Dichtigkeitseigenschaften des verformten Randverbundes oder bei Glaslaminaten durch die mechanischen Eigenschaften der Zwischenschichtverbindungen begrenzt. Darüber hinaus müssen Geometrie- und Stabilitätseffekte beim Kaltbiegen berücksichtigt werden.
Die Herstellung des Kaltbiegens beim Laminieren ist eine Technologie, die ebenfalls nur Glas mit geringer Krümmung zulässt [2] und im Vergleich zum Kaltbiegen vor Ort ein fabrikgefertigtes Produkt ist. Aufgrund der technologischen Komplexität (z. B. Rückfederungseffekt nach Kaltbiegen und Laminieren) ist die Anzahl der Anbieter begrenzt.
Der realisierbare Grad der Krümmung beider Kaltbiegetechnologien, vor Ort oder im Werk hergestellt, liegt im gleichen Bereich. Die Hauptvorteile von Kaltbiegeansätzen sind die hohe optische Qualität und die Freiheit möglicher Glaskonfigurationen (Fritte, Beschichtung usw.). Die allgemeinen Produktionsbeschränkungen sind im Vergleich zu Flachglasprodukten ähnlich.
3) Geometrierationalisierung und Methoden der Formfindung: Typischerweise werden die Ansätze angewendet, um die gegebene gekrümmte Geometrie anzunähern und zu vereinfachen, um doppelt gekrümmte Verglasungselemente in einfach gekrümmte oder ebene Verglasungselemente umzuwandeln. Im Rahmen von Großprojekten sind diese Methoden aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung unerlässlich. Die Methoden erfordern jedoch Geometrie- und Netzmodifikationen, die gelegentlich im Widerspruch zur geplanten Entwurfsabsicht stehen und für besondere Fassadenelemente nicht erwünscht sind.
An dieser Stelle ist auch chemisch vorgespanntes Glas zu erwähnen, obwohl es sich derzeit noch um ein Nischenprodukt in der Baubranche handelt. Das Eindringen chemischer Vorspannverfahren betrifft nur eine sehr dünne Schicht; Daher ist chemisch gehärtetes Glas sehr empfindlich gegenüber Kratzern und sollte durch geeignete Maßnahmen geschützt werden.
Alle zuvor genannten Randbedingungen müssen berücksichtigt werden, um sinnvolle projektspezifische Ansätze für gekrümmte Geometrien zu finden. Die nahezu grenzenlose Freiheit der Form (sphärisch, paraboloid, hyperboloid usw.), insbesondere der Biegung entlang mehrerer Achsen, ist der Auslöser für die Verwendung von heiß gebogenen, getemperten Glasprodukten (Abbildung 3 und 5).
Eine hohe optische Qualität wird aber auch dadurch erreicht, dass Abschreckspuren und Verzerrungen vermieden werden, die als Nachteile des Temperprozesses bekannt sind. Darüber hinaus ermöglicht der Schwerkraftbiege-Produktionsprozess von getempertem Glas in Formen das Biegen in Paaren. Das Ergebnis ist, dass mehrere gebogene Glasscheiben perfekt zusammenpassen (auch unterschiedliche Glasstärken).
Angesichts des spröden Versagensverhaltens von heiß gebogenem, getempertem Glas erfordert der gesamte Entwurfs-, Herstellungs- und Installationsprozess besondere Aufmerksamkeit und einen ganzheitlichen Ansatz. Die Komplexität wird durch das Fehlen von Produktstandards bzw. Anwendungsstandards erhöht. Grundlegende Aspekte und Erkenntnisse aus den letzten Projekten von Josef Gartner mit dem Produkt werden in der vorliegenden Arbeit untersucht.
3.1 Design und Technik
Das Strukturverhalten gebogener Glaselemente unterscheidet sich erheblich von flachen Glaselementen. Wölbungen und Membraneffekte werden ohne vorherige Durchbiegung unter Belastung ausgelöst [3]; Dadurch entstehen sehr steife und verformungsbeständige Elemente.
Allerdings sind die Kanten gebogener Glaselemente meist den Hauptzugspannungen ausgesetzt. Die Lastpfade sind denen von Nichtmembranelementen bzw. Strukturglaselementen sehr ähnlich, beispielsweise im Fall einer sphärisch gebogenen Temperglasscheibe. Abbildung 6 zeigt die Hauptzugspannungen an den freien Glaskanten, einem Bereich mit begrenzter Festigkeit, der durch Kantenfehler und fehlende Druckeigenspannung verursacht wird. Kantenfehler entstehen durch Kantenbearbeitung und andere mechanische Beschädigungen während der Lebensdauer solcher Verglasungselemente.
Abhängig von der Spannungsverteilung sind die Kanten von gebogenem, getempertem Glas häufig der Ursprung des Bruchs [4], wie in Abbildung 7 dargestellt. Der kritische Fehler löst das Versagen durch die Ausbreitung eines anfänglichen Risses unter Zugspannungen aus [8]. Der Kontext des Umgangs mit strukturellen Glaselementen in Kombination mit der geringen Festigkeit von getemperten Glasprodukten weist bereits darauf hin, dass besondere Aufmerksamkeit geboten ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die derzeit am häufigsten verwendeten Entwurfsmethoden (DELR und GFPM) keine Nachweisformate für die Kantenfestigkeit unter Lasten in der Ebene bieten [9].
Darüber hinaus wird bei diesen Methoden die tatsächlich vorhandene Randfehlerpopulation nicht berücksichtigt. Auch bei Verwendung aktueller Normen mangelt es an Informationen zur Materialbeständigkeit. Die Oberflächenfestigkeit und die Kantenfestigkeit von gebogenem Temperglas sind in neueren Normen nur unzureichend dokumentiert.
Die „Richtlinie für thermisch gebogenes Glas“ (Bundesverband Flachglas) [10] gibt jedoch Empfehlungen für reduzierte charakteristische Festigkeitswerte unter anderen grundsätzlichen Orientierungen beim Einsatz von gebogenem Glas in allen Projektphasen. Dabei wird die charakteristische Oberflächenfestigkeit mit fk=40N/mm² und die charakteristische Kantenfestigkeit mit fk=32N/mm² angegeben, nachgewiesen durch Versuchsreihen [10].
Werden dennoch gebogene Glasprodukte ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung verwendet, empfiehlt es sich, die charakteristischen Biegezugfestigkeiten vorab durch Versuche zu überprüfen [10].
Aber auch die Lastseite bedarf besonderer Betrachtung. Es konnte beobachtet werden, dass spezifische Bemessungslasten wie Temperaturlasten oder Zwangskräfte, die durch Gebäudebewegungen oder Stützbedingungen hervorgerufen werden, eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung gebogener vorgespannter Glaselemente spielen (abgesehen von Stoßlasten und Punktlasten). Es stellt sich heraus, dass diese Lasten mit allgemeinen Konstruktionslasten des Gebäudes (Eigenlast, Windlast, Schneelast usw.) kombiniert werden müssen, was zu einer weiteren Anhäufung von Zugspannungen führt, meist in der Nähe der Kanten der gebogenen Glaselemente.
Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass Temperaturdaten der Glasoberflächen verfügbar sind. Eine dynamische Gebäudesimulation anhand repräsentativer Wetterdaten einschließlich spektraler Daten der Sonneneinstrahlung kann die notwendigen Informationen liefern. Metallische Beschichtungen und Glasfritten haben in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, da sie einen langwelligen Strahlungsaustausch zwischen Glasoberflächen induzieren. Je vielfältiger die Wärmeableitung eines erhitzten Glaselements ist, desto höher sind die Temperaturunterschiede auf den Glasoberflächen [7]. Dadurch ist die thermische Belastung innerhalb des gebogenen Temperglaselements höher. Abbildung 8 zeigt die Ergebnisse der Oberflächentemperatur einer dynamischen Gebäudesimulation.
In jedem Fall müssen Unterkonstruktionen, die als Träger für die gebogenen Temperglaselemente dienen, unter Berücksichtigung eventuell auftretender Zwänge konstruiert werden. Glastoleranzen (erhöht bei gebogenem Glas [10]), Unterkonstruktionstoleranzen, Gebäudebewegungen und Durchbiegungen benachbarter Strukturelemente müssen genau analysiert werden, da sie zu Kaltbiegungen oder Kräften in der Ebene der gebogenen, getemperten Glaselemente führen können.
Derartige zusätzliche Kräfte sollten durch geeignete Stützkonfigurationen der Verglasung, wie in Abbildung 9 beispielhaft dargestellt, möglichst vermieden bzw. minimiert werden. Auch Zwangskräfte durch klimatische Belastungen, die typischerweise bei gebogenen Doppelverglasungen auftreten, können durch den Einsatz erheblich reduziert werden flexible Abstandshaltersysteme [12].
Belastungsbedingungen, die sich auf die gebogenen, getemperten Glasfüllungselemente auswirken, müssen bei der strukturellen Glasanalyse berücksichtigt werden, einschließlich einer geeigneten Materialidealisierung. Federsteifigkeiten bzw. Materialmodelle sollten die reale Stützsituation und Lastpfade genau berücksichtigen [3].
3.2 Testen
Der allgemeine Ansatz zur Bestimmung der Kantenfestigkeit ist ein Vierpunkt-Biegeversuchsaufbau. Die Norm EN ISO 1288-3 gilt jedoch ausschließlich für Flachglasprodukte. Aus diesem Grund wird im Forschungsprojekt PRÜFgbGLAS derzeit ein Prüfverfahren für zylindrisch gebogenes Glas entwickelt [13]. Andere als zylindrische Geometrien können durch einen vereinfachten Ansatz getestet werden.
Die Glasfestigkeit wird entweder durch den Vierpunkt-Biegeversuchsaufbau oder den Ring-auf-Ring-Test mit flachen Prüfkörpern bestimmt, die die thermischen Zyklen des Biegeprozesses von gebogenem Glas durchlaufen. Die Verwendung der Ring-an-Ring-Tests ermöglicht die Trennung der Oberflächenfestigkeit von der Kantenfestigkeit, um die Auswirkungen des Schwerkraftbiegeprozesses selbst zu bestimmen [4]. Um Oberflächeneigenspannungen zu untersuchen, die durch unzureichende oder inhomogene Erwärmung nach dem Biegen von heiß gebogenem, getempertem Glas entstehen, können fotoelastische Eigenspannungsmessungen [5] oder Schneidtests angewendet werden.
Dennoch ist es in einigen Fällen von Vorteil, Tests in realer Größe von heiß gebogenen, getemperten Glaselementen einschließlich der vorgesehenen Stützsituation durchzuführen, insbesondere für ein besseres Verständnis des Verhaltens nach dem Bruch. Begleitend zu den oben beschriebenen Tests liefern mikroskopische und fraktografische Analysen weitere Erkenntnisse über die Materialqualität und -festigkeit (z. B. Bruchspiegel, Fehlerursache, Kantenabplatzungen usw.) [6].
3.3 Nach der Herstellung
Auch wenn die heißgebogenen, vorgespannten Glasscheiben die Produktion verlassen, ist höchste Vorsicht geboten. Bereits bei Verpackung und Transport muss das spröde Verhalten des Materials berücksichtigt werden. Belastungsfälle, die über die geplanten Bedingungen von der Produktion bis zu den endgültigen Randbedingungen vor Ort hinausgehen, müssen unterbleiben. Insbesondere die Kanten von heiß gebogenem Temperglas sollten ausreichend geschützt werden. Eventuell auftretende Kantenabsplitterungen können die Kantenfestigkeit erheblich verringern (siehe Kapitel 3.1). Allerdings sollten auch Oberflächenkratzer während der gesamten Lebensdauer von getemperten Verglasungselementen vermieden werden.
Um einige der wichtigsten Einflussfaktoren zu quantifizieren, wurden projektspezifische Parameter für heiß gebogenes, getempertes Glas wie unten beschrieben in verschiedenen Testreihen durchgeführt. Ziel war es darüber hinaus, in der teilweise ungeregelten Normsituation eine verlässliche Planungsgrundlage zu schaffen.
4.1 Glasoberflächenfestigkeit in Abhängigkeit von der individuellen Verarbeitung
Um die entsprechende Produktqualität der in einem Projekt verwendeten heißgebogenen Temperverglasung sicherzustellen, wurden Proben verschiedener Glaslieferanten und unterschiedlicher Basisgläser (GS-1, GS-2 und GS-3) getestet. Zur Untersuchung der Biegeflächenfestigkeit wurden konzentrische Ring-an-Ring-Tests durchgeführt. „Um den Einfluss der einzelnen Bearbeitungsschritte zu quantifizieren, wurden sowohl säuregeätzte Gläser, ungeätzte Gläser als auch Gläser, die den Heißbiegeprozess (Aufheiz-/Abkühlprozess) durchlaufen haben, untersucht“ [7].
Die Testwerte wurden an die logarithmische Normalverteilung angepasst (was normalerweise die beste Anpassung zur Bewertung der Materialfestigkeit darstellt), die Prognose und die Konfidenzintervalle für die Regression wurden berechnet (die charakteristische Festigkeit wurde auf der Grundlage eines 5 %-Quantils mit einem Konfidenzniveau von 95 % berechnet). [7].
Abbildung 11 (rechts) Vergleich der charakteristischen Oberflächenfestigkeit zwischen den Serien GS-1, GS-2 und GS-3 [17]
Folgende Erkenntnisse konnten in [17] beobachtet werden: Je nach Quelle schwanken die Ergebnisse in einer gewissen Bandbreite. Sowohl die durch Versuche ermittelten Mittelwerte (Bild 10) als auch die charakteristischen Festigkeitswerte (Bild 11) variieren. Die vielversprechendsten Ergebnisse konnten für die GS-2-Serie ermittelt werden, wie in Abbildung 11 dargestellt.
Sowohl die GS-2-Serie als auch die GS-1-Serie entsprechen den Anforderungen der relevanten Produktnorm EN 572-1 [14]. Die hierin postulierte Biegefestigkeit von Floatglas wird mit 45 MPa definiert. Wesentliche Einflüsse auf die Glasfestigkeit durch Säureätzung oder durch thermische Zyklen des Heißbiegeprozesses konnten nicht festgestellt werden.
In anderen Testreihen wurden fotoelastische Restspannungsmessungen und Tests des Bruchmusters an heiß gebogenen, getemperten Glaselementen in voller Größe durchgeführt, um weitere Erkenntnisse über die Restoberflächenspannungen zu gewinnen, die durch den Temperprozess verursacht werden. Die gemessenen Oberflächeneigenspannungen liegen im Bereich von herkömmlichem flachgeglühtem Kalk-Natron-Silikatglas und zeigten keine unregelmäßigen Rissmuster [5].
4.2 Kantenfestigkeit und Fritte
Gelegentlich auf Glasoberflächen aufgetragene Keramikfrittenfarben stellen zusätzliche Herausforderungen für heiß gebogene, getemperte Glasprodukte dar. Neben der verringerten charakteristischen Biegefestigkeit von gefrittetem Glas, die nicht einmal in den Produktnormen für Flächenverglasungen geregelt ist [15], können dunkle Frittenfarben thermische Spannungen durch Sonneneinstrahlung auslösen.
Zum Vergleich der Kantenfestigkeit von polierten Kanten mit Fritte zur Kante (Serie 1), polierten Kanten ohne Fritte (Serie 2 & 3) und geschliffenen Kanten mit Oberflächenfritte im Abstand zur Kante (Serie) wurden einige Versuchsreihen inklusive anschließender Auswertung durchgeführt 4) und die Oberflächenfestigkeit (Serie 5) [6]. Alle Prüfkörper (Abmessungen: L = 180 mm, H = 32 mm, T = 7,8–8 mm) durchliefen den identischen Produktionsprozess, der normalerweise für heiß gebogenes, getempertes Glas angewendet wird.
Die Serien 1 bis 4 wurden im 4-Punkt-Biegeversuch und die Serie 5 im konzentrischen Ring-an-Ring-Test untersucht. Bei der statistischen Analyse wurden die Messwerte der Versuche an die Weibull-Verteilung [6] angepasst, die neben der Materialfestigkeit auch andere Parameter (z. B. Größeneffekte) berücksichtigt. Die Auslegungsfestigkeit wurde entsprechend einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 1/1000 gemäß der Norm ASTM E 1300 [16] berechnet.
Basierend auf den Ergebnissen von Abbildung 12 konnte [6] folgende Schlussfolgerung ziehen: Die charakteristische Kantenfestigkeit von Proben mit Fritte war um 50 % geringer, verglichen mit der charakteristischen Kantenfestigkeit von Proben ohne Fritte. Die durch Versuche ermittelten zulässigen Kantenspannungen betragen ca. 40 % der zulässigen Kantenspannungen nach ASTM 1300 (Glas ohne Fritte) [16].
Die charakteristische Kantenfestigkeit von Prüfkörpern ohne Fritte liegt im gleichen Bereich wie Prüfkörper mit Oberflächenfritte im Abstand zur Kante. Der Mittelwert der Kantenfestigkeit (Abbildung 13) liegt deutlich höher im Vergleich zum Mittelwert der Oberflächenfestigkeit. Allerdings ist die charakteristische Kantenfestigkeit aufgrund der großen Streuung der Prüfwerte geringer.
Die oben aufgeführten Versuchsreihen zeigen deutlich die Notwendigkeit einer genauen Untersuchung und Vorsicht bei der Gestaltung der Kanten von heißgebogenen, getemperten Glaselementen. Folgende Einflüsse auf die endgültige Kantenfestigkeit sind bekannt: Kantenbearbeitung (Schneiden, Schleifen, Polieren etc.)[19], Länge der Kante (Fehlerpopulation), Belastungsdauer [20] und Eigenspannungsverteilung. Fritte scheint den Abkühlungsprozess während der Glasherstellung zu stören, was die endgültige Glasfestigkeit verringert [15] [21].
Abbildung 13 (rechts) Vergleich der mittleren Festigkeit, der charakteristischen Festigkeit und der Designfestigkeit der verschiedenen Versuchsreihen
4.3 Thermische Belastung ∆T
In vielen Fällen sind unterschiedliche Oberflächentemperaturen an der Innen- und Außenfläche der Verglasung, ausgedrückt als thermische Belastung ∆T, das entscheidende Kriterium für die Gestaltung von heißgebogenen Temperglaselementen.
Um die Auswirkungen der oben gezeigten geringen Kantenfestigkeit von Glasfritten in Kombination mit der ungleichmäßigen thermischen Belastung ∆T vorherzusagen, wurden einige Elementtests mit unterschiedlichen Glaskonfigurationen mit dem folgenden Testaufbau durchgeführt [11]: Die innere Glasoberfläche (installiert auf dem (oben) wurde durch speziell angefertigte Heizelemente aus Silikonkautschuk erhitzt, die an der Glasoberfläche angebracht waren. Die äußere Glasoberfläche (Unterseite) wurde durch einen Ventilator und Sprinkler gekühlt.
Die thermischen Spannungen wurden mit Dehnungsmessstreifen gemessen (Abbildung 15). Verschiedene Glaskonfigurationen zum Vergleich von vollständig gefrittetem Glas, kantenlöschenden Frittengläsern und Klargläsern (Glasaufbau, 3 x 8 mm, getempertes, doppelt gebogenes, heiß gebogenes Glas mit 1,52 mm SGP-Zwischenschicht, Fritte Nr. 2, Low-E-Beschichtung Nr. 6) wurden unter verschiedenen Unebenheiten untersucht thermische Belastungsbedingungen ∆T.
Die folgenden Erkenntnisse konnten von [17] [18] beobachtet werden: Fast alle Glasbrüche in den Elementtests begannen am Rand des vollständig gefritteten Glases. Die gemessenen Spannungen stimmen grundsätzlich mit den berechneten Spannungen (mittels FEM-Analyse) überein. Brüche traten ausschließlich bei Gläsern mit voller Fritte bis zum Rand auf Position #2 auf.
Die Testergebnisse wurden an die Weibull-Verteilung angepasst, um die Ausfallwahrscheinlichkeit vorherzusagen, wie in Abbildung 14 dargestellt. Ein Temperaturunterschied von ∆T=10[K] zwischen Außenglas und Innenglas ergab eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,8 Prozent (∆T=). 21[K] zeigte eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 3,4 Prozent). Basierend auf den Temperaturergebnissen vorangegangener dynamischer Gebäudesimulationen können Ausfallwahrscheinlichkeiten der Verglasung in Abhängigkeit von ihrer Ausrichtung ermittelt werden.
Infolgedessen übersteigt die durch die Auswertung der oben beschriebenen Tests ermittelte Ausfallwahrscheinlichkeit teilweise die typischerweise angewendeten Ausfallwahrscheinlichkeiten gemäß ASTM 1300 [16]. Solche Erkenntnisse erfordern geänderte Glaskonfigurationen oder eine gemeinsam vereinbarte gemeinsame Risikopolitik für Projekte, die sich mit dem Material heißgebogenes, getempertes Glas befassen.
Abbildung 15 (rechts) Testaufbau der Komponententests [18]
Solange es keine Produktcodes und standardisierten Testcodes gibt, werden projektspezifische Tests von entscheidender Bedeutung sein, um eine zuverlässige Grundlage für die Gestaltung von Projekten zu schaffen, bei denen das hochsensible Material heiß gebogenes getempertes Glas verwendet wird. In mehreren Testreihen für heiß gebogenes, getempertes Glas zeigten die Ergebnisse große Unterschiede in der Spannungsfestigkeit, die hauptsächlich von der Glaskonfiguration und der Qualität des getemperten, gebogenen Glasprodukts selbst abhängen.
Eine kontinuierliche Kontrolle der Materialqualität und des Produktionsprozesses ist unbedingt erforderlich, insbesondere hinsichtlich der Kantenfestigkeit, die im Rahmen der Glasbruchmechanik eine grundlegende Rolle spielt. Darüber hinaus erfordern heiß gebogene, getemperte Verglasungen eine sehr sorgfältige Konstruktion und Konstruktion.
Aufgrund des spröden Materialverhaltens und des Fehlens technischer Standards ist ein ganzheitlicher Ansatz unter Berücksichtigung aller Randbedingungen für die Realisierung geometrisch komplexer Gebäudehüllen unerlässlich. Im Allgemeinen sollte eine benutzerfreundliche Entwurfsmethode implementiert werden, die die Materialqualität auf der Grundlage vorheriger Fehlererkennung sowie spezifischer Belastungsbedingungen berücksichtigt.
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3.1 Design und Technik3.2 Testen3.3 Nach der Herstellung4.1 Glasoberflächenfestigkeit in Abhängigkeit von der individuellen Verarbeitung4.2 Kantenfestigkeit und Fritte4.3 Thermische Belastung ∆T